Jonas steht mit gerunzelter Stirn vor dem großen Familienkalender. „Dr. Wohlmann, Impfen“ steht da in der Spalte für Freitag. Mama hat wohl vergessen, dass Jonas schon lesen kann. Jetzt weiß er also, dass er zum Impfen muss, und er freut sich überhaupt nicht darauf. „Heute ist Montag“, denkt er. „Dann kommt Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag. Das sind ja nur noch vier Tage!“
Wenn er so darüber nachdenkt, bekommt Jonas plötzlich ganz arg Angst vor der Spritze. Die piekst immer so, und tut manchmal auch ein bisschen weh. Dann muss er weinen, und das mag er nicht. Er ist ja schon groß! Schon steigen ihm Tränen in die Augen, wenn er nur daran denkt.
„Ich war doch schonmal beim Impfen, das reicht!“, beschließt Jonas, holt sich einen Radiergummi und streckt sich, um den Termin aus dem Kalender zu radieren. Er hat gerade das „Dr.“ geschafft, da kommt Mama herein. Sie will schon schimpfen, die sieht sie, dass Jonas mit den Tränen kämpft.
„Was ist denn los, Jonas?“, fragt sie.
„Ich mag nicht zum Impfen! Ich hab Angst!“, sagt Jonas.
„Aber das ist doch gar nicht schlimm, ein kleiner Pieks und schon ist es vorbei“, sagt Mama.
„Doch, das tut weg!“, ruft Jonas.
Mama überlegt, dann sagt sie: „Ich habe eine Idee, komm mal mit!“
Sie gehen in Jonas Zimmer. Er soll sich zehn Kuscheltiere aussuchen und in eine Reihe setzen. Mama bringt ein weißes Hemd von Papa, Spritzen und eine Packung Pflaster mit. Sie zieht Jonas das Hemd an und krempelt die Ärmel hoch. Dann drückt sie ihm die Spritzen in die Hand und sagt: „Herr Dr. Jonas, würden Sie bitte die Kinder hier impfen?“
Jonas guckt verdutzt. Warum sollte er das denn bitte machen? Die armen Kuscheltiere, er will ihnen doch nicht weh tun! Mama setzt sich im Schneidersitz vor ihn hin und nimmt sich das erste Kuscheltier in der Reihe. Es ist Egon, der Braunbär.
„Hallo Herr Doktor!“, sagt sie mit brummelig verstellter Stimme und Jonas muss lachen.
„Hallo Egon!“, antwortet er.
„Kannst du mich impfen, Herr Doktor?“
„Aber das tut dir doch weh…“
„Das ist doch nur ein kleiner Pieks, aber dafür werde ich dann nicht mehr krank. Krank sein ist viel blöder und tut auch manchmal viel mehr weh“, brummelt Egon.
Jonas denkt kurz nach. Irgendwie hat Egon-Mama ja recht, und das hier ist ja auch nur ein Spiel. Also nimmt er eine Spritze, zieht sie mit Luft auf, setzt sie Egon an das Bein und drückt auf die Spritze. Es macht pffffft, Egon zuckt kurz, bekommt ein Pflaster.
„Oh, ich habe was vergessen!“, ruft Jonas, rennt wie der Blitz in die Küche und kommt mit einer großen Tüte Gummibärchen zurück. Er gibt Egon eines, das Mama schnell auffuttert, streichelt ihm über den Kopf und sagt: „Das hast du toll gemacht, du warst sehr mutig! Ein richtiger Mutbär!“ Egon freut sich und verlässt brummelnd die Praxis von Dr. Jonas.
Als nächstes ist das Krokodil Karla an der Reihe. Karla jammert ein bisschen, aber stellt dann fest, dass es doch gar nicht so schlimm war. Die Maus Fridolin hat Angst vor der für sie riesigen Spritze, doch Dr. Jonas redet ihr gut zu, sie traut sich doch und ist danach ganz stolz. Dafür bekommt sie auch gleich zwei Gummibärchen, von denen Jonas netterweise auch eins isst, damit Mama kein Bauchweh bekommt.
Als alle Tiere geimpft sind, fühlt Jonas sich schon viel besser. Die Tiere waren alle so tapfer, das kann er auch sein. Fröhlich geht er ins Bett. In den nächsten Tagen spielt er immer wieder Dr. Jonas.
Als es dann Freitag ist und Mama mit ihm zur Praxis von Dr. Wohlmann fährt, hat er doch wieder ein bisschen Angst. Fest umklammert er Bär Egon, den er als Mutbären mitgenommen hat. Als Dr. Wohlmann sieht, dass Jonas ein bisschen zittert, streicht er ihm über den Kopf und sagt: „Das schaffst du schon, Jonas! Du siehst für mich aus wie ein richtig mutiger Junge!“
Jonas nickt, holt einmal tief Luft, macht die Augen fest zu und da macht es auch schon pieks. Vorsichtig macht Jonas ein Auge auf. „Das war es schon!“, sagt Dr. Wohlmann.
„War ja gar nicht so schlimm!“, freut sich Jonas. Jetzt hat er sich seine Gummibärchen wirklich verdient!
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